Donnerstag, 13. August 2009

SIC-Newsletter 12. August 2009 - Deutsch

Mittwoch, 12. August 2009

Pläne für die Zukunft
- Mohsen Sazegara hat in seinem täglichen Aufruf die Menschen aufgefordert, unabhängig von der An- oder Abwesenheit Hashemi Rafsanjanis an den Freitagsgebeten teilzunehmen

Nachrichten
- BBC und Radio Farda: Mir Hossein Mousavi, einer der oppositionellen Präsidentschaftskandidaten, hat während eines Treffens mit dem Koordinationsrat der Reformfront tiefgreifende Reformen im Iran gefordert. Er sagte, was dieser Tage in den Gefängnissen passiere, sei ein klarer Indikator für die Notwendigkeit einer großangelegten Reform. Er kritisierte die Berichterstattung von IRIB und Kayhan und brandmarkte sie als dienlich für die Interessen der Ausländer. Er fügte hinzu: "Ein gewisser politischer Wille versucht, die spontane Protestbewegung des Volkes durch psychologische Kriegsführung und Propaganda mit ausländischer Einmischung in Verbindung zu bringen. Wenn wir jedoch genauer hinschauen, sehen wir, dass niemand die Interessen des Auslandes besser bedient hat, als sie es in den vergangenen zwei Monaten getan haben." Mousavi sagte, die Menschen wollten ihren Forderungen und Beschwerden in einer ruhigen Atmosphäre Ausdruck verleihen; diejenigen, die sich friedlichen Zusammenkünften entgegenstellen und Blut vergießen würden, seien die Diener der ausländischen Interessen.

- Radio Farda: Nach der Entscheidung der Opposition, am Mittwoch ein "green shopping" ("grünes Einkaufen") zu veranstalten, gab es im Großen Basar und den anliegenden Straßen heute ein großes Sicherheitsaufgebot. Wahlgegner besuchten den Basar, während Sicherheitskräfte in Naser Khosrow, Boozarjomehri und vielen anderen Straßen stationiert waren. Es gibt Berichte über die Schließung des Goldmarkts und einiger Geschäfte auf dem Schuhmarkt aus Sicherheitsgründen und wegen ihrer Sensibilität. ILNA berichtet, dass viele Polizeimotorräder in der Gegend unterwegs waren. Unbestätigten Berichten zufolge wurde auch Zahra Rahnavard, die Ehefrau von Mousavi, beim Einkaufen im Basar gesehen.

- BBC: Jamshid Ansari, Parlamentsvertreter von Zanjan, hat in Parleman News (der Webseite der Fraktion des Weges des Imam) am Mittwoch, dem 12. August einen Artikel veröffentlicht und den Polizeichef Brigadier Esma'il Ahmadi Moghaddam, für sämtliche illegalen Maßnahmen der Polizei während der Unruhen nach der Wahl verantwortlich gemacht. Er forderte seine Entlassung und die strafrechtliche Verfolgung der Übertreter des Gesetzes. Ansari sagte, Moghaddam würde nach der Veröffentlichung von Videos, auf denen die Polizei Protestteilnehmer schlägt und vorsätzlich öffentliches Eigentum beschädigt, versuchen, einer Anklage zu entgehen. Er bezeichnete die Vorgänge in den Gefängnissen als "Verbrechen" und als "illegale und unmenschliche Handlungen gegenüber einigen Gefangenen". Er wirft dem Polizeichef, der einige dieser Ereignisse als "natürlich" bezeichnet hatte, vor, den Fall durch "Entlassung und Bestrafung einiger niederrangiger Beamter" lösen zu wollen.

- BBC: Der Sekretär des Expertenrats, Mohsen Rezaei, sagte in einem Treffen mit der Assoziation Iranischer Juristen zur Verteidigung der Menschenrechte: "Wenn all diese Vermutungen wahr sind, dann sollten alle Verantwortlichen entlassen und vor Gericht gestellt werden." Auf Rezaeis persönlicher Webseite ist zu lesen, dass die meisten Mitglieder dieser Assoziation "zurückgestellte Kriegsveteranen" seien. Nabiollah Ahmadloo, der Chef der Gruppe, informierte Rezaei darüber, dass die Gruppe einen Bericht zu den Ereignissen nach der Wahl erstellt habe und den Sachverhalt mit Hilfe "juristischer Autoritäten" verfolge. Nach der Anhörung ihres Berichtes fügte Rezaei hinzu: "Wenn ein einzelner Beamter in der Islamischen Republik derartige Unanständigkeiten begeht, sollten wir nationale Trauer ausrufen - erst recht, wenn mehrere Bürger in dieser Art und Weise verletzt werden."

- BBC: Nach der Veröffentlichung des Briefes von Karroubi an Hashemi Rafsanjani wegen der Vergewaltigung von Inhaftierten hat Larijani das Sonderkomitee des Parlaments mit der Klärung des Falles beauftragt. Das Komitee war ursprünglich zur Aufklärung der Präsidentschaftswahl und der darauffolgenden Ereignisse gebildet worden. Larijani zitierte das Urteil des Komitees, demzufolge genaueste Untersuchungen ergeben hätten, dass weder in Evin noch in Kahrizak Häftlinge sexuelle Gewalt erlitten hätten.

Nachrichten von Verhafteten, Vermissten und Verstorbenen
- RadioFarda: Nachrichtenagenturen im Iran berichteten am Mittwoch, dass die in Teheran festgehaltene Französin möglicherweise entlassen werde. Sie beriefen sich auf eine "informierte politische Quelle". Angeblich hat die französische Botschaft offiziell um die Entlassung der Inhaftierten Clotilde Reiss "gegen Kaution" und "in Übereinstimmung mit iranischem Recht" ersucht.

- RadioFarda: Die vier Anwälte Abdolsamad Khorramshahi, Nasrin Sotoodeh, Mohammad Mostafai und Mina Jafari, die die kürzlich in Haft genommenen politischen Gefangenen vertreten, haben sich in einem offenen Brief an den Chef der iranischen Justizbehörde, Ayatollah Shahroudi gewandt. In dem Brief protestieren sie gegen die Prozesse, die im iranischen Fernsehen übertragen werden. Sie fordern, die aus juristischer Sicht problematischen Aspekte dieser Prozesse anzusprechen. Weiterhin weisen sie auf Einschränkungen ihrer Arbeit hin, einschließlich der mangelnden Rechenschaft seitens der Behörden, der nicht vorhandenen Möglichkeit, ihre Klienten zu sehen und einen angemessenen Prozess zu führen, nicht vorhandener Akteneinsicht und fehlende Informationen über die Verhandlungszeiten.
Darüberhinaus stellen sie fest, dass der Richter und der Teheraner Staatsanwalt die rechtmäßigen Anwälte von den Prozessen ferngehalten und sie zudem aufgefordert hätten, sich nicht in den Prozess einzumischen, da das Gericht bereits seine eigenen Anwälte für die Angeklagten bereitgestellt habe.
Die vier Anwälte weisen darauf hin, dass ein Gericht nur in solchen Fällen Anwälte beauftragen kann, wenn im Urteilsspruch Exekution, Vergeltung, Steinigung oder lebenslängliche Haft enthalten seien und wenn zusätzlich zu all diesen Voraussetzungen der Angeklagte keinen Anwalt benenne. Diejenigen, die gegenwärtig vor Gericht stünden, hätten ihre eigenen Anwälte gewählt und benannt und daher keinen Bedarf an durch das Gericht bestellten Verteidigern gehabt.

- RadioFarda: Aladdin Boroojerdi, der Chef des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit und Außenpolitik, hat heute Reportern gegenüber gesagt, dass einige Mitglieder des vom Parlament ernannten Sonderkomitees zur Überprüfung der Haftbedingungen für die während der Proteste nach der Wahl Inhaftierten heute das Evin-Gefängnis aufsuchen werden. Er merkte an, dass die meisten Verhafteten sich in Evin befänden und das Komitee nicht plane, die Gefängnisse Pasargad, Eshratabad oder Shapoor zu besuchen.
Er fügte hinzu, dass Mostafa Tajzadeh, ein verhaftetes Mitglied der Opposition, bei guter Gesundheit sei; es sei jedoch ungewiss, ob man ihn (während des Besuchs) treffen könne. Boroujerdi hat Alireza Beheshti und Morteza Alviri, die Vertreter von Mousavi und Karroubi, um vollständige Informationen über die kürzlich Inhaftierten gebeten, einschließlich der Namen der Väter und der Ausweisnummer, um eine genaue Liste der während der letzten Wochen Inhaftierten erstellen zu können.

- BBC: Der iranische Journalist und politische Aktivist Akbar Ganji hat in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon gefordert, "die umfassenden Proteste des iranischen Volkes zu achten und umgehende Dringlichkeitsmaßnahmen zu ergreifen". Der Brief ist von 265 Intellektuellen, Aktivisten und Rechtsaktivisten aus aller Welt unterzeichnet und betont, dass "Wahlen im Iran weder frei, noch wettbewerbsorientiert, noch fair" seien und "niemals zu einer wirklichen Umgestaltung in der politischen Struktur des Landes führen" würden. Der Brief endet mit der Bitte an den Generalsekretär, folgende sofortige Dringlichkeitsmaßnahmen zu ergreifen:
1) eine internationale Kommission zur Wahrheitsfindung zu bilden und den Wahlprozess, die Stimmenauszählung und die betrügerische Manipulation von Wählerstimmen im Iran zu untersuchen
2) Druck auf die iranische Regierung auszuüben, damit die gefälschten Wahlergebnisse annulliert und demokratische, wettbewerbsorientierte und faire Wahlen unter Aufsicht der UN abgehalten werden.
3) Druck auf die Regierung der Islamischen Republik auszuüben, damit alle im Zuge der jüngsten Proteste Inhaftierten freigelassen werden.
4) Druck auf die Regierung der Islamischen Republik auszuüben, die in letzter Zeit verbannten Medien wieder frei arbeiten zu lassen und das Recht der Menschen auf freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest gegen die Wahlergebnisse zu respektieren
5) Druck auf die Regierung der Islamischen Republik auszuüben, damit diese das harte und barbarische Vorgehen gegen das iranische Volk einstellt.
6) Ahmadinejads illegitime Regierung und den von ihr inszenierten Wahlcoup nicht anzuerkennen und jedwede Form von Zusammenarbeit aller Nationen und internationaler Organisationen mit dieser Regierung einzudämmen.

Der Brief wurde neben 246 weiteren Unterschriften von folgenden Personen unterzeichnet:
1. Akbar Ganji, Journalist
2. Jürgen Habermas (Goethe-Universität Frankfurt)
3. Noam Chomsky, MIT
4. Charles Taylor, McGill University
5. Martha Nussbaum, University of Chicago
6. Jose Ramos-Horta (Friedensnobelpreisträger 1996)
7. Orhan Pamuk (Literaturnobelpreisträger 2006)
8. Nadine Gordimer (Literaturnobelpreisträgerin 1991)
9. Mario Vargas Llosa (Schriftsteller, Peru)
10. Robert Bellah, UC-Berkeley
11. Seyla Benhabib, Yale University
12. Cornel West, Princeton University
13. Hilary Putnam, Harvard University
14. Benjamin Barber, leitender Wissenschaftler, Demos
15. Craig Calhoun, Social Science Research Council
16. Howard Zinn, Boston University
17. John Esposito, Georgetown University
18. Michael Walzer, Princeton University
19. Adam Michnik, Essayist, Polen
20. Ahmad Rashid, Journalist, Pakistan

Der vollständige Wortlaut des Briefes (englisch) ist dem Newsletter angehängt:(http://seaofgreen-germany.blogspot.com/2009/08/letter-to-ban-ki-moon-august-2009.html)

- BBC: Die Vereinten Nationen bestreiten Berichte, denenzufolge Generalsekretär Ban Ki-Moon dem iranischen Präsidenten zu seiner umstrittenen Wahl gratuliert haben soll. UN-Sprecherin Marie Okabe sagte gegenüber Fox News, der Brief sei nicht als Bestätigung Ahmadinejads zu verstehen, sondern "nutze die Gelegenheit der Amtseinführung, um der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass der Iran und die Vereinten Nationen in regionalen und globalen Fragen weiterhin eng zusammenarbeiten würden".

- Radio Farda: Die Organisation der Mojahedin der Islamischen Revolution hat Mahmoud Ahmadinejad als Vorsitzenden des Obersten Nationalen Sicherheitsrates, und Innenminister Sadegh Mahsooli für die "Katastrophe" im Gefängnis Kahrizak verantwortlich gemacht.
Sie sagte, das Gefängnis Kahrizak sei von den Haftaufsichtsbehörden der Regierung nicht kontrolliert worden und fügte hinzu:"Der Polizeikommandant arbeitet unter Aufsicht des Innenministeriums, und die Beweislage legt nahe, dass der Präsident und das Innenministerium in den letzten beiden Monaten nicht nur nicht den geringsten Versuch unternommen haben, die Polizei an ihren illegalen Aktivitäten auch im Gefängnis Kahrizak zu hindern - sie haben diese Taten sogar gedeckt und unterstützt."
In dem Brief heißt es weiter: "Jetzt, nach zwei Monaten, werden täglich neue Dimensionen und Einzelheiten über dieses furchtbare Gefängnis zutage gefördert, und die regierungstreuen Medien versuchen, die Aufmerksamkeit der Menschen davon abzulenken, damit sie das Thema vergessen."

- Auf der Webseite von Ayatollah Dastgheib wurde ein Statement zum Thema Legitimität und Akzeptanz im Islam veröffentlicht. In einem Teil des Statements heißt es: "Ein Geistlicher regiert an jedem Ort zu jeder Zeit über die Menschen, die ihn akzeptiert haben. Dies bedeutet aber nicht, dass er über alle Menschen in jedem Winkel der Erde regiert... bei den kürzlichen Ereignissen stammt die öffentliche Unzufriedenheit aus dem Mangel an Rechenschaft bei den Wahlen. Wenn die Wahl rechtmäßig vonstatten gegangen wäre, hätten sie nicht protestiert, denn sie haben das Recht selbst gewählt." Er unterstützte den ehemaligen Präsidenten Khatami und focht die 9. Regierung wegen ihrer mangelnden Reaktion auf die Gesellschaft der Kleriker an. Am Ende drängte er den Elitenrat, ein öffentliches Treffen abzuhalten und die von den Menschen und ihren Vertretern Mousavi und Karroubi vorgebrachten Beschwerden anzusprechen.

Empfehlungen und Warnungen
Mohsen Sazgara hat sein Statement für Mittwoch veröffentlicht. Darin betont er nochmals die aktive und gewaltlose Präsenz der Grünen Bewegung bei den Freitagsgebeten, selbst wenn diese ohne Hashemi Rafsanjani stattfinden, und drängt darauf, dass alle teilnehmen. Er bittet außerdem alle, die Informationen über von den Revolutinsgarden geleitete Firmen und Institute an ihren Umkreis weiterzuleiten. Produkte wie ausländische Zigarettenmarken oder Opium seien die Hauptfinanzierungsquellen für die Revolutionsgarden. Auch wenn ein Boykott dieser Waren für die Verbraucher schwierig scheint, sei er essentiell, um die für das harte Durchgreifen gegen das Volk benötigten finanziellen Mittel zu reduzieren
Zum Schluss teilte er mit, dass Safar Harandis Adresse nun öffentlich verfügbar sei. Die erwähnten Informationen sollten auch bezüglich anderer Unterstützer des Staatsstreichs gesammelt werden.
(Eine Audio-Version des Statements ist dem Newsletter beigefügt)

E-Mail: student.information.center@gmail.com
Tel: +1 (253) 234-IRAN , +1 (253) 234-4726
Mailingliste abonnieren: http://groups.google.com/group/student-information-center
Twitter: IranSIC

Übersetzung aus dem Englischen: Julia
Original unter
http://groups.google.com/group/student-information-center

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Zusatz: Aktuelle Demonstrationstermine in Deutschland gibt es hier (keine Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit, Änderungen und neue Termine können hinterlassen werden):
http://lilalinda-juliasblog.blogspot.com/2009/07/demonstrations-in-germany-alphabetical.html

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