Donnerstag, 29. Oktober 2009

SIC Newsletter 28. Oktober 2009

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Pläne für die Zukunft
- Demonstrationen im "iranischen Stil" an Donnerstag Abenden
- Vorbereitungen auf die "Übernahme" der Demonstration am 4. November zum Jahrestag der Geiselkrise im Iran.

Nachrichten
- BBC News: Am Dienstag gab es mehrere Studentendemonstrationen an verschiedenen Universitäten, darunter Teheran, Ahvaz und Mashhad. Inoffizielle Quellen schätzen die Zahl der Teilnehmer auf über 1500. Die Studenten versammelten sich auf dem Campus ihrer Universität und riefen Parolen für die Reformer. Es wurde auch über Zusammenstöße mit Sicherheitskräften berichtet. Viele der Proteste begannen nach Besuchen konservativer Politiker in den Universitäten. Auf den veröffentlichten Videos ist die angespannte Atmosphäre dokumentiert. Ein Video aus der Universität von Ahvaz (von einem Protest) während einer Rede sollte veröffentlicht werden.
(Video eingefügt vom Übers.)

--BBC: Die europäische Union hat ein Statement zur Menschenrechtssituation im Iran abgegeben. Mehr als 4000 Menschen sind seit den Unruhen nach der Wahl verhaftet worden, darunter viele Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten. Die EU fordert Iran nachdrücklich auf, diese Gefangenen freizulassen und nennt namentlich die Inhaftierten Behzad Nabavi, Mohsen Mirdamadi, Ahmad Zeidabadi, Mohammad Quchani, (Issa) Saharkhiz, Bahman Ahmadi und Kian Tajbakhsh.
In dem Statement werden auch die vermuteten Misshandlungen und Folterungen von Häftlingen verurteilt. Die iranische Regierung wird aufgefordert, diese Vermutungen zu untersuchen.
Auch der Massenprozess gegen 150 Personen wird in dem Statement erwähnt. Die EU ist insbesondere besorgt über die Todesurteile gegen vier Inhaftierte.

-BBC: Der Oberste Staatsanwalt von Teheran, Gholam Hossein Mohseni Ezhei, hat bestätigt, ein von 100 Parlamentariern unterzeichnetes Beschwerdeschreiben gegen Oppositionsführer Mir Hossein Moussavi erhalten zu haben.

-Wave of Freedom: Amnesty International protestiert gegen die Verhaftung des 76jährigen Dr. Mohammad Maleki, der wegen Kritik an der Wahl im Iran seit 41 Tagen in Haft ist.

- BBC News: Mir Hossein Mousavi ist am Dienstag mit Mehdi Karroubi zusammengetroffen, um die jüngsten Nukleargespräche zwischen der iranischen Regierung und dem Westen zu diskutieren. Moussavi stellte heraus, dass das gegenwärtige Regime keine Probleme damit habe, Menschen wegen Konspiration mit dem Westen zu verhaften und dennoch bereit zu Verhandlungen (mit dem Westen) zu sein, was seiner Meinung nach die atomare Entwicklung Irans unterminiert.
Zur gegenwärtigen innenpolitischen Situation sagte Moussavi, das Regime begreife nicht, dass das Volk heute nicht mehr dasselbe sei wie vor einem Jahr, und dass sich die Stabilität unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht durch Drohungen und Unterdrückung wieder herstellen lasse. Er fügte hinzu, die Freilassung der politischen Gefangenen sei eine nationale Forderung, die zur Verbesserung der Situation beitragen könne.

Nachrichten von Verhafteten und Verstorbenen
- Wave of Freedom: Familienangehörige von politischen Gefangenen haben in einem Statement angekündigt, ihr Anliegen mittels Aktionen an die Verantwortlichen heranzutragen. Sie organisieren Proteste, Sit-ins, Hungerstreiks und offizielle Beschwerden an Behörden, Institutionen und Rechts- und Menschenrechtsorganisationen. [unverständlich]. Ein erster Protest begann heute um 11 Uhr vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft Teheran.









































(s. dazu auch Artikel von Zamaaneh in deutscher Übersetzung http://lilalinda-juliasblog.blogspot.com/2009/10/familien-politischer-gefangener.html)

-Wave of Freedom: Der inhaftierte Seyed Mostafa Tajzadeh, Ratsmitglied der reformorientierten Partizipationsfront, ist gestern mit seiner Familie zusammengetroffen. Er sagte, er sei bereit, sich selbst zu verteidigen und seinen Fall zu behandeln, selbst von seiner Einzelzelle aus. Er bat seine Familie außerdem, keine offiziellen Beschwerden über seine Anwälte gegen seine Ankläger zu führen.

- Wave of Freedom: Ahmad Zeidabadi , Generalsekretär der Alumni-Organisation, hat nach 45tägiger totaler Kommunikationssperre endlich mit seiner Frau telefonieren können. Der Anruf dauerte weniger als 2 Minuten. Er teilte seiner Frau mit, er sei in guter körperlicher Verfassung, befände sich jedoch seit viereinhalb Monaten in Einzelhaft. Weiter teilte er mit, dass ihm ein Besuch seiner Familie für nächste Woche zugesagt worden sei.

- BBC: Iman Sohrabpour, der nach den jüngsten Protesten verhaftet worden war, ist zu 3 Jahren Haft verurteilt worden. Sein Anwalt nannte die folgenden gegen ihn erhobenen Anklagen:
Gefährdung der nationalen Sicherheit durch gemeinschaftliche Konspiration ["community and collusion"], Regierungs[feindliche] Propaganda mittels Teilnahme an illegalen Versammlungen, Verbreitung von Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Wahlen, Beschädigung des öffentlichen Vertrauens in die Regierung und offizielle Körperschaften, Störung der öffentlichen Ordnung durch Chaos, Aufstände und inakzeptable Handlungen, Verbreitung von Angst und Panik in der Gesellschaft, Verbreitung provozierender CDs und Schriften.
(mehr dazu ebenfalls im Artikel von Zamaaneh: http://lilalinda-juliasblog.blogspot.com/2009/10/familien-politischer-gefangener.html)

Analyse
- Wave of Freedom hat eine Analyse der gegenwärtigen Situation von Emad Behavar veröffentlicht. Darin geht er auf mehrere Schlüsselfaktoren einer politischen Bewegung ein:
1. Führung
2. Organisation
3. Ziele und Anliegen der Bewegung.

Er schreibt, die momentane Bewegung habe eine "hypothetische" Führung, von der sie nicht abhänge. Andererseits seien die gegenwärtigen hypothetischen Führer Moussavi und Karroubi zur Zeit die Besten, die verfügbar sind. In der momentanen Situation sei die Führung nicht mit eigentlichen Führungsaufgaben befasst, sondern erhielten vielmehr durch ihre Präsenz die Integrität der Bewegung aufrecht.
Was die Organisationen angehe, so habe die gegenwärtige Regierung während ihrer letzten Amtszeit die Nichtregierungsorganisationen entwurzelt, um so das Risiko zu minimieren, dass sie sich gegen die Regierung wenden könnten. Diesen Anstrengungen zum Trotz habe die Grüne Bewegung überlebt.
Die Regierung Ahmadinejad schreibe dies der Präsenz von Medien und anderen Kommunikationskanälen zu, die sie mit importierter Filtertechnologie zu kontrollieren versuche.
Es wird betont, dass das Regime infolge seiner extensiven Maßnahmen gegen alle sozialen Oganisationen nun keine etablierten Kommunikationspartner mehr habe, mit anderen Worten: Die Regierung hat alle Organisationen zerstört, die beruhigenden Einfluss auf die Bevölkerung hätten ausüben können.
Zu Zielen und Anliegen einer Bewegung heißt es, die Ziele sollten klein, klar und erreichbar sein. Ziele wie "Regierungswechsel", "Säkularisierung" und "Sturz des Obersten Führers" seien zu weitreichend für die momentane Phase der Bewegung. Einfachere, spezifizierte und kurzfristige Ziele würden dazu beitragen, dass sich auch einfache Leute mit der Bewegung identifizieren können.

Empfehlungen und Warnungen
Mohsen Sazegaras Video vom Dienstag, 27. Oktober 2009
- Sazegara bezeichnete die Informationsverbreitung als eine der Schwächen der Bewegung. Um diese Schwäche zu beheben, schlägt er die Bildung von Gruppen von 10 - 20 Personen vor, die über öffentliche Telefone, persönliche Treffen und das Schreiben von Parolen an öffentlichen Orten (Informationen verbreiten). Er strich heraus, dass die junge Generation nicht vergessen dürfe, dass nicht jeder Internetzugang habe.

- Zu den bevorstehenden Demonstrationen empfiehlt Sazegara, die von der Regierung vorgeschlagenen Routen und Zeiten einzuhalten. Als Parolen empfiehlt er "Obama, Obama, entweder mit und oder mit ihnen", "Wir haben kein Brot, wir haben kein Wasser, wofür brauchen wir Atomenergie?" und "Nicht Osten, nicht Westen, eine nationale Grüne Bewegung"

- Er regte an, dass Iraner im Ausland Solidaritätskundgebungen unter dem Motto Frieden und Demokratie organisieren. Sie sollten einen sichtbaren Bezug zum Iran herstellen, um ihr Anliegen zu verdeutlichen.

- Zum Thema der politischen Gefangenen im Iran betonte Sazegara, dass Protestaktionen wie die der "Trauernden Mütter" auch weiter organisiert werden müssten. Bei Demonstrationen müsste das Thema durch Parolen wie "Freiheit für die politischen Gefangenen" thematisiert werden.

Mohsen Sazegaras Video vom Mittwoch, 28. Oktober 2009
- Sazegara informierte über eine Gruppe namens "Der Grüne Schrei", die Nachrichten und Lieder mit Bezug zu den Protesten nach der Wahl sammelt. Auf das Material kann man über den Podcast der Gruppe und über E-Mail und Mobiltelefone (Bluetooth) zugreifen.

- Sazegara wiederholte nochmals, dass die Differenzen zwischen den Fraktionen der Regierung infolge der regierungsinternen Dispute über die Atomverhandlungen zunehmen.
Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Revolutionsgarden und dem Obersten Sicherheitsrat hätten ein Ausmaß erreicht, dass es möglich scheint, dass die Garden versuchen könnten, einige Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats zu beseitigen.

- Bezüglich der jüngsten Proteste an den Universitäten Teheran, Ahvaz und Mashhad sagte Sazegara, es sei die Studentenbewegung, die das Fortdauern der Grünen Bewegung sicherstelle. Die Studenten sollten darüber nachdenken, gegen die Präsenz von Militär und Basij an den Universitäten zu protestieren und eine Schließung ihrer Büros zu bewirken.

- Mit Blick auf die Unterdrückung der Arbeiter der Rohrfabrik in Ahvaz sagte Sazegara, die Unterstützung für die Arbeiterbewegung sei dringend notwendig.

- Über die gestrigen spontanen Proteste, die sich gestern nach einem Autounfall in Teheran ereigneten, sagte Sazegara, diese spontanen und hartnäckigen Proteste seien die wichtigsten Mittel, um die Regierung zu ermüden.

*Beide Audio-Files sind dem Original-Newsletter beigefügt und auch auf Mohsen Sazegaras Homepage verfügbar (http://www.sazegara.net/persian/).

E-Mail: student.information.center@gmail.com
Tel: +1 (253) 234-IRAN , +1 (253) 234-4726
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Twitter: IranSIC

Übersetzung aus dem Englischen: Julia
Original unter: http://groups.google.com/group/student-information-center
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Zusätze:

1. Projekt "German Media for Iranians in Iran"
Unterstützung für Iraner im Iran, Druck auf das Regime
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2. Wichtiger als man denkt: Unterstützer, Mitglieder, Übersetzer gesucht für Facebook-Gruppe zur Übersetzung von Blogs, Artikeln und Nachrichten zum Thema Iran, die nicht in den Massenmedien erscheinen.
Warum mitmachen? Nicht nur für diese Facebook-Gruppe gilt: Je mehr Übersetzungsaktivitäten öffentlich sichtbar sind, desto mehr Druck entsteht für das iranische Regime. Darum hilft auch eine passive Mitgliedschaft in der Gruppe der Sache sehr, da sie den Verbreitungsgrad der Aktivitäten gegen das Regime dokumentiert.

3. Aktuelle Veranstaltungstermine in Deutschland (keine Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit, Änderungen und neue Termine können hinterlassen werden)

4. United4Iran Deutschland: http://www.united4iran.de/

5. Deutsche Übersetzungen von Blogs, Artikeln und Nachrichten zum Thema jenseits der internationalen Massenmedien: Julias Blog

6. Sammlung aller aktuellen UN-Petitionen zum Iran (mit freundlicher Genehmigung von @nedaagain): http://petitionsforiran.wordpress.com/

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