Ich bin NiteOwl alias Josh Shahryar - twitter.com/iran_translator bei Twitter. Während der letzten Stunden habe ich mich intensiv mit den Twitter-Nachrichten (tweets) aus dem Iran beschäftigt. Ich habe versucht, bei der Auswahl meiner Twitter-Quellen sehr vorsichtig vorzugehen. Was ich im Folgenden zusammengestellt habe, ist das, was ich auf der Grundlage verlässlicher Twitter-Quellen glaubhaft berichten kann. Trotzdem ist zu beachten: Alle nachfolgenden Informationen basieren einzig auf Twitter-Nachrichten; (Meine Arbeit erscheint unter den Konditionen von Creative Commons. Sie kann frei genutzt und überall veröffentlicht werden).
Die folgenden wichtigen Ereignisse kann ich von Sonntag, dem 12. Juli 2009, aus dem Iran bestätigen:
Protestaktionen, Unruhen
1. Vereinzelte Proteste wurden heute aus Teheran gemeldet. Obwohl keine Zahlen bestätigt werden können, behaupteten viele Quellen, Menschen hätten versucht, sich am Valiasr-Platz zu versammeln. Zusammenstöße wurden vom Keshavarz-Boulevard, vom Towhid-Platz, vom Fatemi-Boulevard, von der Satarkhan-Straße und vom Valiasr-Platz gemeldet. Aus diesen Gegenden wurde auch eine starke Präsenz von Sicherheitskräften gemeldet. Berichte deuteten an, dass Hubschrauber über dem Zentrum von Teheran operierten, wo die meisten dieser Orte liegen. Mobilfunknetze wurden an den oben genannten Orten ebenfalls abgeschaltet.
2. Hunderte Menschen versammelten sich friedlich vor dem Gericht der Islamischen Republik und dem Evin-Gefängnis und forderten die Freilassung ihrer Angehörigen. Es wird über eine große Protestaktion im Iran am Freitag spekuliert, doch dies kann bisher nicht bestätigt werden.
3. Schirin Ebadi – Friedensnobelpreisträgerin und iranische Menschenrechtsaktivistin – hat erklärt, dass an diesem Freitag, IranerInnen aus der ganzen Welt zusammen kommen und gegen die Ernennung von Mahmud Ahmadinedschad als Präsident protestieren würden.. Auch solle es ab 22. Juli einen dreitägigen Hungerstreik prominenter IranerInnen vor dem Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York geben.
Opposition
4. Die Demokratische Partei des Iran hat ihre Unterstützung für Mussawi erklärt. Sie ließ verlauten, eine Regierung sei nur dann rechtmäßig, wenn sie die Legitimation durch die Bevölkerung erworben habe. Damit schließt sich die Partei vielen anderen an, die Mussawi bereits ihre Unterstützung zugesagt haben.
5. In einer heute veröffentlichten Erklärung gab Mohsen Rezai, ein weiterer Kandidat der umstrittenen Präsidentschaftswahlen, fünf Punkte bekannt, die jeder im Iran realisieren sollte, wenn er die Probleme infolge der Wahlen verstehen wolle:
- Die iranische Regierung sollte den Unterschied KENNEN zwischen friedlichen DemonstrantInnen und Leuten, die daran arbeiteten, die Islamische Republik zu zerstören.
- Die iranische Regierung sollte den Unterschied KENNEN zwischen PolitikerInnen und anderen Personen, die nur Beschwerden hätten und solchen, die “sich aus dem Ausland einmischten”.
- PolitkerInnen sollten in der Lage sein, ihre Rechte und die Rechte der Menschen auf legalen Wegen durchzusetzen. Regierungsinstitutionen sollten Beschwerden der Bevölkerung und von PolitikerInnen ernst nehmen, ohne dass diese Angst haben müssten, von jemand anderem verhaftet zu werden.
- Zwischen denjenigen mit Beschwerden und der Regierung sollten Verhandlungen zur Klärung dieser Beschwerden stattfinden. Damit sollte die nationale Sicherheit geschützt und die friedliche politische Partizipation im Land fortgesetzt werden.
- Regierungsbehörden sollten bei der Wiederherstellung der Ruhe die Gesetze einhalten und die Rechte der Menschen schützen.
- Die Leitlinien des Imam Ali und seines Lebens sollten als Beispiel für die Lösung aller politischen Probleme herangezogen werden.
6. Ayatollah Bayat Zanjani hat eine Fatwa (islamisches Rechtsgutachten) erlassen, in der er erklärt, die Menschen sollten friedliche Mittel einsetzen, um Einzelpersonen zu entfernen, die auf illegitime Weise einen Regierungsposten über ihren offiziellen Posten erhalten hätten. Er erließ die Fatwa, nachdem er gefragt worden war, ob Regierungsbeschäftigte die Arbeit niederlegen sollten, weil die Regierung illegitim sei. Auch Ayatollah Montazeri erklärte gestern in einer Fatwa, jeder, der seine Macht missbrauche, mache sich automatisch für eine Position als religiöse Autorität untauglich.
7. In einem an die Medien verbreiteten Interview hat Schirin Ebadi die Massenverhaftungen von RechtsanwältInnen und MenschenrechtsaktivistInnen durch die Regierung seit den Wahlen verurteilt. Sie bezeichnete außerdem ein neues „Gesetz“ als illegal, das vom Justizministerium ausgearbeitet wurde und ihm weiter reichende Befugnisse zur Aberkennung von Anwaltszulassungen gibt. Ebadi forderte die Regierung auf, es für null und nichtig zu erklären.
Regierung, Internationales
9. Es liegen teilweise bestätigte Berichte vor, wonach Haschemi Rafsandschani das nächste Freitagsgebet in Teheran leiten werde. Berichten zufolge plant auch die Reformbewegung ihre Teilnahme, einschließlich ihrer Führer. Dies kann jedoch derzeit nicht bestätigt werden.
10. Der Befehlshaber der Iranischen Revolutionsgarden (IRG) mahnte diejenigen, die das Wahlergebnis ablehnten, zur Vorsicht, da die Streitkräfte des Iran sich den Protesten nicht beugen würden. Er kündigte außerdem an, die Streitkräfte seien bereit und vollends in der Lage, jegliche Unruhen, die in den nächsten Tagen ausbrechen sollten, niederzuschlagen.
11. In einem Versuch, Kritik der internationalen Gemeinschaft von der Regierung abzuwenden, hat ein Mitarbeiter Mahmud Ahmadinedschad eine Erklärung veröffentlicht. Darin bezeichnete er die Haltung der internationalen Gemeinschaft zu den jüngsten Entwicklungen im Iran als scheinheilig. Zu seinen Behauptungen, mit denen er die Aktionen der Regierung rechtfertigte, gehörte, dass die Zahl der politischen Gefangenen im Iran weit niedriger sei als die Zahl politischer Gefangener in westlichen Ländern. Mehrere wichtige Geistliche in Qom haben das Schweigen der Regierung zum Tod von mehr als 150 muslimischen Uiguren bei den Unruhen im Westen Chinas kritisiert. Sie riefen die Regierung dazu auf, die Brutalität der chinesischen Regierung zu verurteilen.
Verhaftungen, Freilassungen, Tötungen
12. Seit Beginn der Proteste wurden bisher 41 JournalistInnen festgenommen. Ein weiterer Journalist, Abulfazl Abedini, wurde nach bestätigten Berichten von Unbekannten verhaftetet; sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Sheila Najafi, eine linksgerichtete Aktivistin und Dichterin wurde in Amol verhaftet; auch ihr Aufenthaltsort ist unbekannt. Inzwischen ebenso festgenommen wurden Saeed Hajjarians Sohn Mohsen Hajjarian sowie Mahdi Madavi-Azad, Journalist und Chefredakteur der Shahab News.
13. Der Leichnam von Sohrab Arabi wurde seiner Familie übergeben. Seine Bestattungszeremonie wird morgen auf dem Beheshte-Zahra-Friedhof stattfinden, wo er auch begraben werden wird. Es muss angemerkt werden, dass, auch wenn im letzten Green Brief angedeutet worden war, er sei infolge von Folter im Evin-Gefängnis verstorben, indes berichtet wurde, er sei in Wahrheit bereits vor Wochen bei Protesten ums Leben gekommen und sein Leichnam habe bisher nicht identifiziert werden können.
14. In Saqez stürmten am Samstag Sicherheitskräfte ohne Durchsuchungsbefehle die Häuser mehrerer prominenter IranerInnen, die entweder zu den Reformern gehören oder mit den Protestierenden sympathisieren, und verhafteten mindestens 32 Personen. Während der jüngsten Proteste in Kermanshah wurden duzende Protestierende verhaftet und in das Dizel-Abad-Gefängnis gebracht. In Teheran, wo die Menschen weiterhin nachts "Allah o Akbar“-Sprechchöre von den Dächern rufen – einige haben sogar damit begonnen, Lautsprecher zu verwenden – haben Sicherheitskräfte die Verhaftungen von Menschen, die an dieser Form des Protests teilnehmen, langsam verstärkt. Mehrere Menschen wurden bisher verhaftet.
15. Mehdi Karubi hat sich heute mit den Familien inhaftierter Reformer getroffen. Die Familien sagten Karubi, sie seien nicht gegen die Regierung und baten ihn, ihnen dabei zu helfen, die Freilassung ihrer Angehörigen sicherzustellen. Familien von Inhaftierten werden inzwischen von Sicherheitskräften bedroht, dass, sollten sie über die Verhaftung ihrer Angehörigen sprechen oder Interviews geben, ihre Angehörigen länger im Gefängnis bleiben würden.
Medien
16. Der Verkauf von Mobiltelefonen der Firma Nokia hat in den letzten Tagen in Teheran einen Einbruch erlebt, da die Menschen Nokia vorwerfen, der iranischen Regierung bei der Errichtung von Überwachungsgeräten geholfen zu haben, mit deren Hilfe viele IranerInnen verhaftet wurden. Die Verkaufszahlen sind um bis zu 50% zurückgegangen.
17. Gleichzeitig haben heute die Iranischen Revolutionsgarden die IranerInnen davor gewarnt, Webseiten wie Twitter, Myspace und Facebook zu benutzen, mit denen Spannungen verursacht würden. All diese Seiten sind im Iran bereits gesperrt. Außerdem wurde berichtet, mehrere prominente Geschäftsinhaber seien dem Aufruf Mussawis nachgekommen, keine Werbezeit mehr auf IRIB zu kaufen. Dies hat maßgeblichen Einfluss auf die Einnahmen von IRIB.
* Ein herzliches Dankeschön an Sahar joon für die Hilfe beim Korrekturlesen und sehr wertvolle Tipps.
Bitte verbreiten Sie diesen Brief weiter und lassen Sie dadurch mehr Menschen wissen, was im Iran vor sich geht.
Die iranische Regierung schränkt die Nutzung des Internet weiter ein, um ihre Bevölkerung zum Schweigen zu bringen.
Viele Menschen im Iran suchen nach Informationen über Proxy-Server und Tor in Teheran und im ganzen Land.
Bitte spenden Sie Bandbreite. Sie leisten dadurch einen Beitrag, den iranischen Vorhang zu überwinden.
Es folgen einige Links mit Informationen dazu, wie man helfen und Hilfe erhalten kann:
Deutsch:
Was ist Tor? Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Tor_(Netzwerk)
Info und Anleitung: offizielle Seite des Torprojekts http://www.torproject.org/index.html.de
Englisch:
Tor Browser Bundle
Tor Browser Bundle
Tor Browser Bundle
Tor and the Iranian Election - Bring down the Iran Curtain | Ian's Brain
Farsi (persisch):
Tor Browser Bundle
Tor: ?????? Tor
Helfen Sie uns, mehr Brücken mit Tor aufzubauen: http://gonzotimes.net/?page_id=500
Übersetzt von Josh unter http://iran-info-dienst.blogspot.com/2009/07/green-brief-26-fom-12-juli-2009.html
Gepostet von leo unter 08:04
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