Montag, 20. Juli 2009

Green Brief #33 (19. Juli 2009) - Deutsch

Ich bin NiteOwl alias Josh Shahryar - twitter.com/iran_translator bei Twitter. Ich bin Journalist und Menschenrechtsaktivist und KEIN Iraner. Dies ist eine Sammlung von Nachrichten aus dem Iran, die ich aus Twitter und dort angegebenen Webseiten zusammengestellt habe. Beachten Sie bitte, dass alles hier von Tweets stammt. (Meine Arbeit erscheint unter den Bedingungen von Creative Commons (CC).).

Hier sind die wichtigen Ereignisse von Sonntag, 19. Juli 2009, die ich bestätigen kann.

Proteste/Unruhen

Es ist teilweise bestätigt worden, dass letzte Nacht in Shiraz eine Protestaktion stattgefunden hat. Hunderte Demonstranten versammelten sich am späten Nachmittag und zogen durch die Straßen. Sie skandierten mehrere Stunden lang Sprechchöre gegen die Regierung, bevor sie sich friedlich zerstreuten. Gestern wurde berichtet, dass die Unterstützer von Mahdi Karroubi eine Genehmigung für eine friedliche Demonstration in Shiraz bekommen hatten. Es gibt noch keine bestätigten Aussagen darüber, ob es zu Zusammenstößen kam oder nicht.

Angehörige von inhaftierten Demonstranten werden morgen Abend wieder vor dem Evin-Gefängnis demonstrieren.


Opposition

Mahdi Karroubi besuchte einige der Familien von Verhafteten und brachte seine Trauer über den Tod der über hundert Armenier zum Ausdruck, die gestern beim Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Karroubi besuchte auch die St.Sarkis-Kirche in Teheran, um der iranisch-armenischen Gemeinschaft sein Beileid für den tragischen Unfall zu bekunden.
Unabhängig davon veröffentlichte Mahdi Karroubi heute auch eine Erklärung, in der er sagt, er fühle sich "beschämt, Teil einer Regierung zu sein, die Lügen verbreitet." Er verurteilte die Sicherheitskräfte für ihre Behauptungen, ihre Mitglieder seien "als Märtyrer gestorben" und sie hätten "auf niemanden das Feuer eröffnet." Er stellte fest, dass "sie mit solchen Lügen nicht durchkommen werden - die ganze Welt ist Zeuge der von den Sicherheitskräften verübten Gräueltaten geworden." Karroubi bestätigte auch, dass er tatsächlich am Freitag angegriffen worden war.

Khatami traf sich heute ebenfalls mit Angehörigen von Inhaftierten. Im Zuge des Treffens bedankte er sich bei Rafsanjani für seine Aussagen beim Freitagsgebet. Er sagte weiters, dass die Forderungen Rafsanjanis die "absoluten Mindestanforderungen" seien, denen die Regierung nachkommen müsse. Nicht nur die Regierung stände vor einer Herausforderung, sondern das Islamische Regime selbst sei durch die Handlungen der Regierung in Gefahr. Er rief die Regierung dazu auf, Rafsanjanis Aussagen zu befolgen, fügte aber hinzu, dass ehestmöglich eine Volksabstimmung über die Legitimität der Regierung abgehalten werden sollte, um das Vertrauen der Menschen wiederherzustellen. Berichten zufolge wurde während des Treffens zwei Gefangenen von den Wärtern in Evin erlaubt, ihre Familien anzurufen.

Hashemi Rafsanjani ist für einige Tage nach Mashhad gereist. Quellen zufolge ist der Zweck der Reise, dass er sich mit den Ayatollahs Makarem Shirazi und Safi Golpayegani treffen will. Viele bedeutende Geistliche halten sich derzeit wegen des (schiitischen) heiligen Monats Rajab in Mashhad auf. Berichte deuten darauf hin, dass die überwältigende Mehrheit der Geistlichen in Mashhad Mussawi und Rafsanjani unterstützen, während eine sehr kleine Minderheit hinter Ahmadinedschad steht.

Die Association of Combatant Clerics ("Vereinigung Streitender Kleriker", ACC) veröffentlichte heute eine Erklärung, in der sie eine Volksabstimmung fordert. Die ACC lobte die Rede von Hashemi Rafsanjani ebenfalls und rief die Regierung auf, seine Worte zu beherzigen. Der ACC zufolge wäre eine Volksabstimmung der beste Weg, das Vertrauen der iranischen Bevölkerung wiederherzustellen - ein Vertrauen, das durch die Wahl und die Tumulte danach stark geschwächt worden sei.

Iranische Sicherheitskräfte behaupten, dass ein geplantes Attentat der MKO ("Mujahideene Khalq Organization") auf Mussawi und Karroubi vereitelt worden sei. Die MKO ist eine linksgerichtete iranische paramilitärische Organisation. Sie hatte in der Vergangenheit behauptet, dass Israel vor der Wahl einen Anschlag auf Ahmadinedschad geplant habe.

Mir Hosein Mussawi veröffentlichte heute eine Erklärung, in der er den Angehörigen der Opfer des Flugzeugabsturzes bei Qazvin sein Beileid aussprach. In dieser Erklärung brachte er seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass es in letzter Zeit mehrere Unfälle gegeben habe, bei denen iranische Fluglinien beteiligt waren. Er rief die Regierung dazu auf, an der Verbesserung der Flugsicherheit im Iran zu arbeiten.

Zwanzig iranische Parlamentarier haben den Nachrichten- und den Justizminister zu sich gerufen, um Erkundigungen über die Verhaftungen von Politikern und politischen Aktivisten einzuholen.


Regierung, Internationales

Es waren heute Gerüchte im Umlauf, dass Esfandyar Rahim-Mashaie seine Berufung zum Ersten Vizepräsidenten des Iran abgelehnt habe. Später kursierten Berichte, dass Mashaie diese Aussage dementiere. Wir konnten keine dieser Behauptungen bestätigen, aber es erscheint unwahrscheinlich, dass er diese Berufung ablehnen würde. Es ist jetzt bestätigt, dass Chamenei Hashemi Rafsanjani gebeten hatte, der Amtseinführung von Präsident Ahmadinedschad beizuwohnen - und er die Aufforderung ablehnte.

Abbasali Kadkhodaie, der Sprecher des Wächterrates, kritisierte heute Rafsanjanis Rede und antwortete auf Kommentare von einem der Vertreter Mussawis. Kadkhodaie zufolge habe der Wächterrat im Rahmen des Gesetzes gehandelt und alle legalen Möglichkeiten genutzt, um sicherzustellen, dass die Wahl frei und fair war. Der Wächterrat hatte ein Kommittee einberufen, um die Behauptungen eines Wahlbetrugs zu untersuchen, und Kadkhodaie kritisierte Karroubi und Mussawi harsch dafür, dass sie zu diesem keine Vertreter entsandt hatten. (Hier sollte angemerkt werden, dass diese Kommittee nur 10% der abgegebenen Stimmen untersuchen sollte. Selbst wenn all diese Stimmen an Mussawi alleine übertragen würden, wäre Ahmadinedschad immer noch der Sieger gewesen.)

Mohammad-Taqi Mesbah Yazdi, ein bekannter schiitischer Geistlicher und Hardliner, der angeblich der religiöse Mentor von Ahmadinedschad ist, erklärte heute, dass "viele Politiker sagen, sie glauben nur an die Worte des Obersten Rechtsgelehrten, weil er verfassungsmäßig berufen worden sei. Aber der Oberste Rechtsgelehrte hat in jedem Fall Rechtsgewalt."
Berichten zufolge werden sich Ayatollah Javad Amoli und Ayatollah Amini demnächst mit Chamenei treffen, um über den Aufruhr nach der Wahl zu sprechen. Ein weiterer Durchbruch ist die Aussage von Ayatollah Kharrazi aus Qom, "Chamenei ist für das Blutvergießen der letzten Wochen verantwortlich."

Der iranische Energieminister hat die Bürger gewarnt, dass das Auslösen von Stromausfällen (durch überhöhten Stromverbrauch) nutzlos sei und dass es in Zukunft als Sabotage angesehen würde. Gleichzeitig sind von den Revolutionsgarden neue Anschuldigungen gegen die Demonstranten vorgebracht wurden. Die Regierung behauptet zum wiederholten Male dass:
die Proteste geplant warenUND
die Demonstranten Wochen vor der Wahl bereit waren, Gewalt einzusetzen.


Verhaftungen, Freilassungen, Todesopfer

Beamte der iranischen Regierung haben bestätigt, dass der letzte britische Botschaftsmitarbeiter, Hossein Resam, auf Kaution entlassen worden ist. Seine Freilassung kommt Tage nachdem die internationale Gemeinschaft starken Druck ausgeübt hat. Die Regierung hat auch verkündet, dass bei den Protestaktionen am Freitag mehr als 40 Demonstranten verhaftet wurden.

In einem Brief an die Justiz, das Informationsministerim und den Generalstaatsanwalt des Iran hat Ayatollah Mousavi Tabrizi die schnelle Freilassung aller Verhafteten gefordert. Er verlangte die Aufhebung aller Sanktionen gegen politische Parteien und ein hartes Durchgreifen gegen diejenigen, die die Bürgerrechte des Volkes während der Demonstrationen verletzt hatten.

Aus dem Evin-Gefängnis erreichen uns weiterhin beunruhigende Nachrichten. Freigelassene Gefangene berichten, dass Häftlinge in den Korridoren des Gefängnisses an die Wand gekettet werden - in heißen und überfüllten Bedingungen. Oft werden Gefangene geschlagen und andere Gefangene dazu gezwungen, zuzusehen. Schlafentzug ist üblich. Essen und Medikamente sind schwer zu bekommen. Andere Quellen berichten von wiederholten sexuellen Übergriffen als Foltermaßnahme (wir haben bereits bestätigt, dass viele Gefangene vergewaltigt worden sind).

Dutzende Universitätsstudenten aus Tabriz, Mashhad und Semnan sind zu Disziplinarkommissionen vorgeladen worden. Berichte lassen vermuten, dass sich die meisten dieser Studenten aktiv an den Protestaktionen nach den Wahlen beteiligt hatten.


Medien

IRIB TV hat Berichten zufolge eine verstümmelte Version von Hashemi Rafsanjanis Rede gezeigt. Die Sendung lässt seinen Aufruf zur sofortigen Freilassung der Gefangenen sowie seine Forderung zur Aufhebung der Medienzensur weg. Stattdessen konzentriert sie sich vollständig auf seinen Aufruf zur Einheit. Die Sendung betonte auch, dass sich Rafsanjani in seiner Rede auf niemandes Seite gestellt habe. Gleichzeitig verurteilte Großayatollah Sobhani heute die iranischen Medien für ihre Lügen über die Vorgänge im Iran und bezeichnete dieses Vorgehen als unislamisch.

Anmerkung: Bei allem Respekt - ich lehne es ab, mich an der derzeitigen "Jagd nach Nedas Mörder" zu beteiligen. Ich habe Fotos von einem Mann gesehen, von dem viele Leute behaupten, er sei das Mitglied der Revolutionsgarden, das sie ermordert hat. Aber wir können uns dessen nicht sicher sein. Und selbst wenn wir es könnten, würde das die Menschen nur zur Gewalt aufhetzen. Bitte denken Sie daran, das Grüne Meer muss friedlich bleiben!


Wenn Sie den Green Brief veröffentlichen möchten, besuchen Sie bitte diese Seite: http://tinyurl.com/mjxrz3
Für Rundfunksprecher: http://tinyurl.com/nmvxpk

Liste aller Green Briefs: The Green Briefs

Diskussion/Anmerkungen:
http://aic.openmsl.net/wiki/index.php/Green_Brief_33

Ein großes Dankeschön an Sahar joon für seine Hilfe beim Korrekturlesen und für viele wertvolle Hinweise. Vielen Dank auch an alle Übersetzer, die ihre wertvolle Zeit einsetzen, damit diese Informationen so viele Leute wie möglich erreichen.

Alle deutschen Übersetzungen der Green Briefs sind im Blog Nachrichten zur Situation im Iran zu finden

Übersetzt von Kyrah unter http://kyrah.net/gr88/gb33.html
Original: http://tinyurl.com/m5yqnc.

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