Übersetzung aus dem Englischen
(Original bei:
http://iran.whyweprotest.net/green-brief/24801-green-brief-46-august-1-mordad-11-a.html)
Bericht über den Prozess gegen Reformanhänger
Der Verhandlungsverlauf
Am heutigen Tage hat die iranische Regierung mehr als 100 Inhaftierte vor Gericht gestellt, die der Regierung zufolge unter anderem für Sabotage, Aktivitäten gegen die Regierung, Staatsgefährdung und die Anstiftung zu einer „Samtenen Revolution“ (Velvet Revolution) mit Hilfe ausländischer Elemente verantwortlich sein sollen. Unter den Inhaftierten befanden sich prominente Reformer, darunter:
- Mohammad Ali Abtahi: Ein früherer Vizepräsident Irans und naher Weggefährte des früheren Präsidenten Mohammad Khatami. Er ist Mitglied des Zentralrats der“Association of Combatant Clerics“ (Vereinigung streitbarer Geistlicher/Majma’e Rowhaniyoon-e Mobarez).
- Mohsen Mirdamadi: Führer der Islamischen Iranischen Partizipationsfront (“Islamic Iran Participation Front“).
- Behzad Nabavi: Ein früherer stellvertretender Sprecher des iranischen Parlaments und einer der Gründer der reformorientierten Partei Organisation der Mojahedin der Islamischen Revolution.
- Mohsen Aminzadeh: Stellvertretender Außenminister unter Khatami.
- Abdollah Ramezanzadeh: Ein früherer Sprecher und Regierungssekretär der Islamischen Republik unter Mohammad Khatami.
- Mohammad Atrianfar: Führer des "Policymaking Council" der Tageszeitung Shargh, Führungsmitglied „Partei für Aufbau“ (Hezb-e Kaargozaaraan-e Saazandegi, d. Übers.), leitender politischer Berater von Akbar Hashemi Rafsanjani, von 1999 bis 2003 gewähltes Mitglied des Stadtrats von Teheran und Vizeminister für Inneres unter Minister Abdollah Noori sowie Vizepräsident der Organisation für iranische Rüstungsindustrie („Sazemane Sanaye Defa“, d. Übers.) und früherer Chefredakteur der Zeitung Hamshari.
Außerdem anwesend waren u. a. inhaftierte prominente politische Aktivisten, Reporter und andere wichtige iranische Persönlichkeiten.
Den Verhandlungsvorsitz hatte Richter Salavati von der 15. Abteilung des Revolutionsgerichts (der Vorname konnte nicht ermittelt werden). Die Regierung hatte angekündigt, dass nur 20 Inhaftierte mit ähnlich lautender Anklage vor Gericht gestellt würden. Es ist zu erwähnen, dass die Anwälte vieler Angeklagter bei der Verhandlung nicht anwesend waren. Saleh Nikbakht, der von den Familien mit der Verteidigung Abtahis, Nabavis, Safaie Farahanis und Aminzadehs beauftragt war, ließ später verlautbaren, ihm sei nicht gestattet worden, der Verhandlung beizuwohnen.
Der Staatsanwalt der Regierung zitierte einen „Spion“, den die Regierung festgenommen habe und dessen Name aus „Sicherheitsgründen“ nicht genannt werden dürfe. Dem Staatsanwalt zufolge sei der Spion kürzlich in den Iran eingereist. Der Staatsanwalt beschrieb im Weiteren, wie der Spion an der Planung einer „Samtenen Revolution“ beteiligt gewesen sei. (Der Verfasser kann den Namen des Spions zurzeit nicht bestätigen, da lediglich eine Quelle eine Vermutung bezüglich seiner Identität geäußert hat).
Der Staatsanwalt sprach im Folgenden über die “Samtenen Revolutionen“, die in der Ukraine, Georgien und Kirgistan stattgefunden hätten. Er nannte einige prominente Politiker, Aktivisten, Feministinnen und Reporter, die an der Planung und der versuchten Ausführung der sogenannten „Revolution“ beteiligt gewesen seien.
Einige der Anklagepunkte, die den Angeklagten zur Last gelegt werden, sind:
- Anschläge auf Militäreinrichtungen mit Schussfeuerwaffen und Bomben
- Anschläge und Brandanschläge auf Regierungsgebäude
- Zerstörung öffentlichen und privaten Eigentums
- Verbreitung von Angst in der Bevölkerung
- Herstellung von Kontakten zu militanten Organisationen
- Schlagen von einfachen Bürgern
- Verteilung von Flugblättern gegen die Regierung
- Schlagen von Sicherheitskräften.
Der Staatsanwalt brachte die Angeklagten mit George Soros – einem Billionär, der, so der Staatsanwalt, regelmäßig „Revolutionen“ finanziell unterstütze – sowie dem U.S. State Department in Verbindung. Er sagte, diese Verbindung sei zwecks Koordination der „Revolution“ aufgebaut worden.
Zu Beginn der Verhandlung wurde behauptet, dass einige der Angeklagten die Fehlerfreiheit der Wahlergebnisse anerkannt sowie bestritten hätten, dass ein Betrug vorliege.
Später, während der „Geständnisse“, erklärten Abtahi und Atrianfar, dass es während der Wahl nicht zu Fälschungen gekommen sei. Abtahi sagte außerdem, dass Rafsanjani, Khatami, Karroubi und Moussavi einen Pakt geschlossen hätten, um sich im Fall eines Wahlsieges von Ahmadinejad gegenseitig bei dessen Diskreditierung zu unterstützen.
Er fuhr fort, die “Samtene Revolution” habe Agenten auf Frauen, Minderheiten, Menschenrechtsaktivisten, Arbeiter, NGOs und Studenten angesetzt, um sie zur Teilnahme anzustiften. Er warf Shadi Sadr und Shirin Ebadi die Aufhetzung von Frauen vor. Nousheen Hamadani Khorasani, eine unbekannte Frau, wurde ebenfalls beschuldigt, Frauen aufgehetzt zu haben.
Weiterhin beschuldigte er Hadi Qavemi (Sprecher der Menschenrechtskampagne in Iran), Mansour Asanlou von der Labour-Kommission des Parlaments, Sohrab Razaqi und Baqer Namazi vom Flügel der NGOs, sowie Abdul Kareem Soroush, das „Gehirn“ des Projekts zu sein.
Später stellten sich vier der Angeklagten – Abtahi, Atrianfar, Tajbakhsh und Mazyar Bahari, ein iranisch-kanadischer Journalist – den Fragen der regierungstreuen Medien.
Auszug aus dem “Geständnis” von Mohammad Ali Abtahi für die Medien:
“Nach der Wahl haben (Mohammad) Khatami und Rafsanjani geschworen, sich gegenseitig zu treu zu bleiben, und ich habe das nicht verstanden, da ich wusste, dass die Differenz (der Stimmen zwischen Ahmadinejad und Moussavi) 11 Millionen Stimmen betrug…. Hashemi wollte sich an Ahmadinejad und dem Obersten Führer rächen…
Moussavi kannte das Land wahrscheinlich nicht, aber Khatami – bei allem Respekt… er wusste Bescheid. Er war sich der Fähigkeit und Macht des Führers bewusst, trotzdem schloss er sich Moussavi an, und das war Verrat… ich sehe mich als Reformer, habe aber gesagt, dass Khatami nicht das Rechte hat, Moussavi (dies) aufzuzwingen. Ich war nicht einverstanden mit Ahmadinejads Präsidentschaft, aber ich glaube an die Wählerstimmen und beglückwünschte die Wahl des Präsidenten durch das Volk.
Es war ein Fehler, dass ich an den Kundgebungen teilgenommen habe, aber (Mehdi) Karroubi sagte mir, wir könnten die Menschen bei so einem mageren Wahlergebnis nicht auffordern, auf die Straße zu gehen, darum sollten wir besser selbst unseren Protest auf der Straße demonstrieren.“
Abtahis vollständiges Geständnis auf Persisch:
Der Staatsanwalt beschuldigte viele der Inhaftierten der Teilnahme an “terroristischen“ Aktivitäten gegen den Staat Iran. Weiterhin beschuldigte er sie, Kontakte zur MKO, einer linksgerichteten iranischen paramilitärischen Organisation zu haben und im Camp Ashraf im Irak von amerikanischen Streitkräften ausgebildet worden zu sein. Sie hätten logistische und finanzielle Unterstützung sowie Geheimdienstinformationen von Amerika erhalten.
Reza Khademi, Naser Abdolhosseini, Mohammad Noori, Hossein Shermohammadi, Azra Saadat Qazi, Naseh Fareedi, Amir Hossein Fotoohi, Mahdi Shirazi, Hassam Salamat, Mohammad Reza Ali-Zamani, Ahmad Karimi und Hamed Rohinezhad wurden allesamt der Beteiligung an diesen „terroristischen“ Aktivitäten beschuldigt.
Reaktionen der Regierung
Die einzige Reaktion seitens der Regierung kam von Teherans Vertreter im Parlament, Hamid Rasayee. Er sagte, die Verhandlung habe der Regierung den Weg geebnet, um alle wirklichen Anführer des Aufruhrs zu verfolgen (diese Meldung ist bisher nur teilweise bestätigt).
Reaktionen der Opposition
Moussavis Statement: “Es wird gesagt, die Söhne der Revolution hätten die Planung eines Sturzes der Islamischen Republik und die Rolle von Ausländern dabei eingestanden. Ich habe ihre Aussagen persönlich und sorgfältig geprüft und habe in keiner dieser Aussagen etwas Wahres gefunden… Was wir und Sie gesehen haben ist nichts weiter als eine stümperhafte Vorbereitung des Beginns der Amtsperiode der Regierung. Niemand kann erwarten, dass ein betrügerisches Gericht beweist, dass es keinen Wahlbetrug gegeben hat.“
Er fügte hinzu, die Angeklagten sollten gewiss sein, dass die Menschen wüssten, dass die Geständnisse lediglich abgelegt wurden, um das Leben der Angeklagten zu retten.
Die Islamische Iranische Partizipationsfront veröffentlichte ein Statement, in dem es heißt: “Der von den Totalitären angeführte Staatsstreich ist mit dieser von ihnen inszenierten Komödie in eine neue Phase eingetreten – getarnt durch einen schicken Gerichtssaal, in dem ein paar Häftlingen der Prozess gemacht wird.”
Das vollständige Statement http://seaofgreen-germany.blogspot.com/2009/08/statement-der-iipf-zum-schauprozess.html
Abtahis Ehefrau sagte, er sei zur Einnahme von psychoaktiven Medikamenten gezwungen worden, die ihn brechen sollten, damit er alles sagt, was von ihm verlangt wird. Ihre Äußerung wurde von Mohammad Reza Tabesh, einem reformorientierten Parlamentsmitglied, bekräftigt. Er verurteilte die Verhandlungen ebenfalls als Schwindel. Abtahis Ehefrau nannte die Verhandlungen unmenschlich und sinnlos.
Die Ehefrau von Mohsen Mirdamadi sagte, dass die Familienangehörigen weder vor noch nach der Verhandlung mit den Angeklagten sprechen durften. Diese seien unmittelbar nach Vertagung der Verhandlung abgeführt worden. Sie sagte, ihrer Familie sei nicht einmal erlaubt worden, bei der Verhandlung anwesend zu sein.
Seyed Mohammad Khatami sagte, die Verhandlungen seien verfassungswidrig; verfassungswidrige Handlungen würden das Regime in große Gefahr bringen.
Rafsanjanis Büro wies Vermutungen über eine Teilnahme Rafsanjanis an jedweder Art von “Samtener Revolution” zurück und bezeichnete alle Äußerungen gegen Rafsanjani als aberwitzig.
Der bekannte iranische Jurist Mohammad Hossein Aghasi sagte in einem Gespräch mit Voice of America, die Verhandlung habe diese Bezeichnung nicht verdient. Er fügte hinzu, sie habe einer von der Regierung inszenierten Theaterszene geähnelt.
“Reporter ohne Grenzen” bezeichneten die Verhandlung in einer Stellungnahme als “Witz” und verurteilten sie.
Iranische Medien
Die Verhandlung war für reformorientierte Medien komplett gesperrt. Alle Nachrichten, die von dort nach außen drangen, kamen von regierungseigenen Medien.
Fars News berichtete von einer Abtahi zugeschriebenen Aussage, die deutlich von dem abwich, was er vor Gericht gesagt hatte.
Keyhan News machte die Verhandlung zur Schlagzeile und beschuldigte die Führer der Reformbewegung, eine „Samtene Revolution“ zu versuchen. Die Zeitung bezeichnete die Geständnisse als Beweis für das, was wirklich geschehen sei.
Eine Zusammenstellung von Videos über die Verhandlung:
http://revolt-eye.blogspot.com/
(Für diesen Bericht wurden auch Auszüge aus Verhandlungsberichten von Enduring America und Fereshte Ghazi verwendet)
Original bei:
http://iran.whyweprotest.net/green-brief/24801-green-brief-46-august-1-mordad-11-a.html
Übersetzung: Julia (danke an Kia für unentbehrliche Hilfe)
Sonntag, 2. August 2009
Bericht über Prozess am 1. August 2009
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